Die Fortbestehens­prognose bei Überschuldung einer GmbH

Insolvenzantragsgründe - Insolvenzvermeidung - Überschuldungsstatus

Kommt eine GmbH in die Krise, hat der Geschäftsführer zu prüfen, ob er einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen muss. Für den Fall der Führungslosigkeit einer GmbH ist auch jeder Gesellschafter zur Stellung des Antrags verpflichtet. Die Pflicht zur Insolvenzantragsstellung besteht bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.

Bilanzielle Überschuldung

Die bilanzielle Überschuldung führt aber nicht zwangsläufig zu einer Überschuldung auch im insolvenzrechtlichen Sinne, sondern lediglich zu der Verpflichtung, eine Fortbestehungsprognose zu erstellen. Fällt diese positiv aus, muss kein Insolvenzantrag gestellt werden. Der Beitrag zeigt, wie eine Fortführungsprognose zu erstellen ist, wer die Verantwortung dafür trägt und welche Daten ausschlaggebend sind.

Überblick:

  • Die Insolvenzantragsgründe
  • Die Fortführungsprognose gemäß § 19 Abs. 2 InsO
    • Erste Ebene: Die Überlebenschance des Unternehmens
      • Nachhaltige Fortführungsfähigkeit
      • Überwiegende Wahrscheinlichkeit der Fortführung
      • Die Fortbestehensprognose – formelle Anforderungen
      • Inhalt der Fortbestehensprognose
      • Prüfung der Fortbestehensprognose
    • Zweite Ebene: Gegenüberstellung von Vermögen und Schulden
    • Bedeutung einer Rangrücktrittserklärung
    • Der Überschuldungsstatus
  • Fazit

1. Die Insolvenzantrags­gründe

Die Insolvenzordnung kennt drei Gründe für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens:

  • Die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO): Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.
  • Die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO): Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.
  • Überschuldung bei einer juristischen Person (§ 19 InsO): Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.

Mit dem IDW S 11 (IDW Fachnachrichten Heft 4/2015) hat das IDW (Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.) einen Standard veröffentlicht, der sich mit der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit auseinandersetzt. Der Standard bietet jedem Praktiker eine Hilfestellung, wenn es darum geht, ob eine Überschuldung vorliegt oder nicht.

Die folgenden Ausführungen beziehen sich u.a. auf die Fundstellen im IDW S 11.

2. Die Fortführungsprognose gemäß § 19 Abs. 2 InsO

Bei der Überschuldungsprüfung kommt es nicht auf die rechnerische Überschuldung des Unternehmens an, sondern es geht allein um die Feststellung einer positiven Fortbestehungsprognose. Die Fortbestehungsprognose wird anhand des IDW S 11 auf der Grundlage des Unternehmenskonzepts und des aus der integrierten Planung abgeleiteten Finanzplans erstellt; das Ergebnis ist eine reine Zahlungsfähigkeitsprognose (IDW S 11, Rn. 58).

Eine positive Fortbestehungsprognose setzt zunächst voraus, dass die Geschäftsleitung die Fortführung des schuldnerischen Unternehmens anstrebt. Innerhalb des Prognosezeitraums muss zudem die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit wahrscheinlicher sein als der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. Aus den erzielten Überschüssen müssen daher die aktuellen und zukünftigen Verbindlichkeiten gedeckt werden können. Ein Überschuldungsstatus ist bei einer positiven Fortbestehungsprognose entbehrlich.

Über welchen Zeitraum die Prognose angelegt werden soll, ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Der Prognosezeitraum wird wohl mindestens zwölf Monate und in der Regel das laufende und das folgende Geschäftsjahr umfassen (IDW S 11, Rn. 64). Im Einzelfall kann ein längerer oder kürzerer Prognosezeitraum berücksichtigt werden. Eingeleitete und beabsichtigte Maßnahmen zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit wie eine Kapitalerhöhung und die Aufnahme von Darlehen können in der integrierten Unternehmensplanung im Prognosezeitraum berücksichtigt werden, wenn es sich um hinreichend konkretisierte Maßnahmen handelt (IDW S 11, Rn. 66).

Kann dagegen keine positive Fortbestehungsprognose erstellt werden, sind auf der zweiten Ebene der Überschuldungsprüfung die Aktiva den Passiva gegenüberzustellen. Es wird ein Überschuldungsstatus bzw. eine Überschuldungsbilanz erstellt. Dabei hat die Bewertung der Aktiva aufgrund einer negativen Fortbestehungsprognose zu Liquidationswerten zu erfolgen. Hierbei kommt es allein auf die Veräußerbarkeit in materieller und rechtlicher Hinsicht an. Der Liquidationswert wird anhand von Erfahrungswerten bestimmt. Die Art und Weise der beabsichtigten Verwertung spielt hierbei eine entscheidende Rolle.


Übersicht 1: Fortbestehungsprognose und deren Auswirkungen

Fortbestehungsprognose und deren Auswirkungen von Christoph Hillebrand

Beispiel:

Der Liquidationswert ist umso geringer anzusetzen, je weniger Zeit für die Liquidation vorhanden ist. Bei der Bestimmung des jeweiligen Werts gilt das Vorsichtsprinzip, wonach der Liquiditätserlös angesetzt werden soll, der auch tatsächlich erzielbar ist.

Übersteigen die im Überschuldungstatus angesetzten Vermögensposten die Schuldposten, liegt ein sogenanntes positives Reinvermögen vor. Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen drohender Zahlungsunfähigkeit ist dennoch möglich (IDW S 11, Rn. 90).

Sollten die Passiva die Aktiva übersteigen, spricht man von einem negativen Reinvermögen. Bei fehlender positiver Fortbestehensprognose und rechnerischer Überschuldung liegt eine insolvenzrechtliche Überschuldung nach § 19 InsO vor.

Erste Ebene: Die Überlebenschancen des Unternehmens


Auf der ersten Ebene werden die Überlebenschancen des Unternehmens im Rahmen einer Fortbestehensprognose beurteilt. Dabei bildet das Unternehmenskonzept die Grundlage der Fortbestehensprognose. Dazu muss das Konzept die Zielvorstellungen, die Strategien, den Gestaltungsrahmen und die beabsichtigten Handlungsabläufe sowohl verbal als auch in Planzahlen darstellen. Es muss schlüssig und vor dem Hintergrund personeller, sachlicher, fachlicher und finanzieller Potenziale realisierbar sein. Weitere Bestandteile des Unternehmenskonzepts sind die Umweltanalyse sowie die Unternehmensanalyse. Dieses Konzept bildet wiederum die Grundlage für die Finanzplanung. Die Finanzplanung soll aufzeigen, ob und wie das Unternehmen fällige Zahlungsverpflichtungen im Prognosezeitraum erfüllen kann. Als Grundlage für die Beurteilung dienen jährliche Plan-Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Plan-Bilanzen. Zeitlich wird regelmäßig das laufende und das folgende Geschäftsjahr berücksichtigt. Am Stichtag müssen vorhandene Rahmenbedingungen und Gestaltungselemente nachgewiesen bzw. plausibel dargelegt werden. Sanierungsmaßnahmen dürfen einbezogen werden, sofern deren Eintrittswahrscheinlichkeit bzw. Realisierung hinreichend gesichert ist.

Die Sanierungsfähigkeit hat einen hohen Stellenwert für die Beurteilung der Überlebenschancen eines Unternehmens. Hierzu zählen alle Bemühungen zur Abwendung der Krise als auch solche, die die Ertragsfähigkeit wiederherstellen sollen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass diese bereits abgeschlossen sein müssen und eine positive Resonanz der Gläubiger vorhanden ist. Sind sie erst geplant, muss der Eintritt des Erfolgs mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Optional sind zur Erhöhung der Sanierungsfähigkeit Sale-and-Lease-Back-Geschäfte, Einlagen, Darlehen oder die zugesicherte Unterstützung durch den oder die Gesellschafter denkbar.

Eine Fortführung steht außer Frage, wenn das Unternehmen in der Vergangenheit profitabel war und deshalb leicht auf finanzielle Mittel zurückgreifen kann. Anders verhält es sich, wenn Zweifel an der Fortführung der Unternehmenstätigkeit insbesondere aus finanziellen, betrieblichen oder sonstigen Umständen bestehen.

Beispiele für ungünstige finanzielle Anzeichen (vgl. dazu auch Hillebrand/Frystatzki, Going Concern oder Break Up, 1. Aufl. 2016):

  • In der Vergangenheit eingetretene oder für die Zukunft erwartete negative Zahlungssalden aus der laufenden Geschäftstätigkeit;
  • Die Schulden übersteigen das Vermögen oder die kurzfristigen Schulden übersteigen das Umlaufvermögen;
  • Kredite zu festen Laufzeiten, die sich dem Fälligkeitsdatum nähern, ohne realistische Aussichten auf Verlängerung oder Rückzahlung;
  • Übermäßige kurzfristige Finanzierung langfristiger Vermögenswerte;
  • Anzeichen für den Entzug finanzieller Unterstützung durch Lieferanten oder andere Gläubiger;
  • Ungünstige finanzielle Schlüsselkennzahlen;
  • Erhebliche Betriebsverluste oder erhebliche Wertminderung bei betriebsnotwendigem Vermögen;
  • Ausschüttungsrückstände oder Aussetzen der Ausschüttung;
  • Unfähigkeit, Zahlungen an Gläubiger bei Fälligkeit zu leisten;
  • Unfähigkeit, Darlehenskonditionen einzuhalten;
  • Lieferantenkredite stehen nicht zur Verfügung;
  • Unmöglichkeit, Finanzmittel für wichtige neue Produktentwicklungen oder andere wichtige Investitionen zu beschaffen;
  • Unfähigkeit, Kredite ohne Sicherheitenstellung von außerhalb zu beschaffen;
  • Einsatz von Finanzinstrumenten außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit;
  • Angespannte finanzielle Situation im Konzernverbund.


Beispiele für ungünstige betriebliche Anzeichen:

  • Der Abgang von Schlüsselpersonen ohne adäquaten Ersatz;
  • Verlust eines Hauptabsatzmarkts oder von wichtigen Patenten;
  • Verlust von Hauptlieferanten oder wesentlichen Kunden;
  • Kündigung von bedeutenden Franchise-Verträgen;
  • Gravierende Personalprobleme;
  • Engpässe bei der Beschaffung wichtiger Vorräte;
  • Nicht ausreichend kontrollierter Einsatz von Finanzinstrumenten.


Beispiele für ungünstige sonstige Anzeichen:

  • Eigenkapitalunterdeckung, Verstoß gegen Eigenkapitalvorschriften;
  • Betrieblich verursachte Streiks;
  • Rechtsstreitigkeiten mit hohen Ansprüchen gegen das Unternehmen;
  • Änderungen in der Gesetzgebung oder Regierungspolitik, von denen negative Folgen für das Unternehmen erwartet werden.


Bei der Fortbestehensprognose handelt es sich um die begründete Aussage, ob das Unternehmen seine Aktivitäten unter Einhaltung der Zahlungsverpflichtungen nachhaltig fortführen kann. Gleichzeitig ist sie daher auch eine Zahlungsfähigkeitsprognose. Dabei bestimmt nicht alleine die Rentabilität, sondern auch die Liquidität das endgültige Urteil.

Nachhaltige Fortführungsfähigkeit

Die Fortbestehensprognose soll zeigen, ob das Unternehmen und damit der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft bestehen bleiben kann. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, über welchen Zeitraum die Fortführungsrisiken bzw. –chancen zu prognostizieren sind. Laut der Begründung zum Regierungsentwurf der Insolvenzverordnung ist für die Glaubhaftmachung der drohenden Zahlungsunfähigkeit die gesamte Entwicklung aller bestehenden Verbindlichkeiten in die Erwägungen miteinzubeziehen. Der Prognosezeitraum endet danach mit der spätesten Fälligkeit aller bestehenden Verbindlichkeiten. Mit zunehmender Reichweite nimmt die Aussagefähigkeit und Zuverlässigkeit der Prognoserechnung ab, sodass eine Begrenzung des Prognosezeitraums geboten ist. Nach dem ersten Bericht der Kommission für Insolvenzrecht ist ein Prognosezeitraum für „die nächsten Monate“ angemessen, der BGH fordert eine mittelfristige Fortführung, und das Institut der Wirtschaftsprüfer schließt hieraus auf einen Prognosezeitraum, der das laufende und folgende Geschäftsjahr umfasst.

Beispiel:
Der Jahresabschluss 2017 wird im Juni 2018 aufgestellt. Damit läuft der Prognosezeitraum bis zum Dezember 2019.

Überwiegende Wahrscheinlichkeit der Fortführung

Der Gesetzgeber fordert für eine positive Fortbestehungsprognose, dass die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit innerhalb des Prognosezeitraums mit überwiegender Wahrscheinlichkeit begründet ist. Nach herrschender Meinung muss im Rahmen einer Beweiswürdigung mehr dafür als dagegen sprechen. In diesem Zusammenhang spricht von einer komparativen Hypothesenwahrscheinlichkeit; es handelt sich daher gerade nicht um ein statistisches Ergebnis. Die Realisierungsaussichten des Unternehmenskonzepts sollen unter Einbindung aller Beteiligten (Stakeholder) beurteilt werden. Notwendige Voraussetzung dafür ist, dass der Wille und die Möglichkeit der Umsetzung gegeben sind.

Die Fortbestehungs­prognose – formelle Anforderungen

Die Fortbestehungsprognose ist eine Aussage über die zukünftigen Chancen des Unternehmens. Die Darlegungs- und Beweislast einer solchen Feststellung steht regelmäßig im Zusammenhang mit einer möglichen Insolvenzverschleppungshaftung der Geschäftsführung. Es stellt sich zwingend die Frage, ob die Geschäftsführung den Insolvenzantrag rechtzeitig gestellt hat. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird die Insolvenzverschleppung bei Erkennbarkeit der Insolvenzreife vermutet. Widerlegt werden kann dies nur durch eine positive Fortbestehensprognose. Die Darlegungs- und Beweislast für eine positive Fortbestehensprognose liegt bei der Geschäftsführung.

  • Um haftungs- und strafrechtliche Konsequenzen zu vermeiden, sollte man eine positive Fortbestehensprognose stichhaltig begründen und dokumentieren. Die betreffenden Daten sollten gesondert gesichert und aufbewahrt werden. Für die Aufstellung einer Fortbestehensprognose wird neben einer abgestimmten, aktuellen Finanzbuchhaltung auch ein leistungsfähiges Controlling inklusive eines Früherkennungs- und Risikomanagementsystems benötigt.

Inhalt der Fortbestehensprognose

Die Fortbestehensprognose ist weit mehr als eine rein rechnerisch richtige Zusammenstellung von Tabellen mit Zukunftsdaten in Form von Rentabilitäts- und Liquiditätsplänen; sie stellt vielmehr ein mit den Realitäten abgestimmtes schlüssiges Unternehmenskonzept dar. Die Annahme der Geschäftsführung, die wirtschaftliche Lage werde sich in naher Zukunft bessern, hält einer gerichtlichen Überprüfung keineswegs stand. Die Fortbestehensprognose muss auf der Grundlage sachgerechter Kriterien aufgestellt und für sachverständige Dritte nachvollziehbar sein. Entscheidend ist also, dass der Geschäftsführer die von Ihm aufgestellte Fortbestehensprognose ausreichend dokumentiert. Will er auf Nummer sicher gehen, kann er sich an dem IDW Standard S 6 „Anforderungen an Sanierungskonzepte“ orientieren, der wirtschaftlich wie folgt aufgebaut ist:

  • Auftrag und Auftragsdurchführung
    • Vertragsparteien
    • Ausgangssituation
    • Auftrag, Aufgabe und Zweck des Sanierungsgutachtens
  • Grundlagen des Unternehmens
    • Beschreibung des Unternehmens (Unternehmens-/Konzernstruktur)
    • Unternehmensentwicklung
    • Rechtliche Verhältnisse
    • Finanzwirtschaftliche/steuerliche Verhältnisse
  • Marktanalyse
    • Analyse der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
    • Darstellung der Marktstruktur
    • Darstellung der Wettbewerbssituation
    • Analyse der Entwicklungstendenzen
  • Analyse des Unternehmens
    • Darstellung der Produkte bzw. des Leistungsprogramms
    • Allgemeine organisatorische Grundlagen
    • Analyse der leistungswirtschaftlichen Bereiche
    • Analyse der finanzwirtschaftlichen Entwicklung
    • Übersicht Fremdfinanzierung
    • Haftungsverhältnisse/sonstige finanzielle Verpflichtungen
    • Relevante Rechtsstreitigkeiten
  • Zusammenfassung der Analyseergebnisse
    • Krisenstadium und –ursachen
    • Lagebeurteilung/SWOT-Profil
  • Sanierung-/Unternehmenskonzept
    • Ziel des Sanierungskonzepts/Leitbild des sanierten Unternehmens
    • Maßnahmen zur Sanierung des Unternehmens
    • Integrierte Unternehmensplanung (Ergebnis-, Finanz- und Vermögensplan)
  • Beurteilung der nachhaltigen Sanierungsfähigkeit
    • Beurteilung des Sanierungskonzepts
    • Beurteilung des Durchsetzungsmanagements
    • Beurteilung des Umsetzungsmanagements
    • Beurteilung des Koordinationsmanagements
  • Kritische Prämissen
  • Prognoseergebnis

Prüfung der Fortbestehensprognose

Will der Geschäftsführer sich noch mehr absichern, z.B. gegenüber Gesellschaftern oder auch Dritten, so empfiehlt es sich, die von Ihm aufgestellte Fortbestehensprognose einer Prüfung durch einen sachverständigen Dritten zu unterziehen, beispielhaft durch einen Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater mit Erfahrung in diesen Sachfragen. Erfolgt die Prüfung durch einen Wirtschaftsprüfer, so wird dieser neben dem IDW S 11 folgende Standards beachten:

  • IDW S 6 „Anforderungen an Sanierungskonzepte“,
  • IDW S 2 „Anforderungen an Insolvenzpläne“,
  • PS 270 „Die Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit“,
  • IDW RS HFA 17 „Auswirkungen einer Abkehr von der Going-Concern-Prämisse auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss“,
  • IDW Positionspapier zum Zusammenwirken von handelsrechtlicher Fortführungsannahme und Insolvenzrechtlicher Fortbestehensprognose.

Die Prüfung erfolgt auf Nachvollziehbarkeit, Sachgerechtigkeit und Folgerichtigkeit der Prognoseaussagen. Darüber hinaus soll die Tragfähigkeit und Sicherheit der zukünftigen Gesamtfinanzierung unter Berücksichtigung aller Interessengruppen, d.h. der Stakeholder (Eigentümer, Kreditgeber, Arbeitnehmer) beurteilt werden.

Zweite Ebene: Gegenüberstellung von Vermögen und Schulden

Auf der zweiten Ebene wird eine Gegenüberstellung von Vermögenswerten und Schulden vorgenommen. Dies ist allerdings nur erforderlich, wenn eine negative Fortbestehensprognose vorliegt. Die Basis für den Überschuldungsstatus ist eine zeitnahe Handelsbilanz; es ist daher ratsam unterjährig einen Zwischenabschluss aufzustellen.

Im Rahmen einer negativen Fortbestehensprognose sind Vermögen und Schulden unter Liquidationsgesichtspunkten anzusetzen. Die Verwertungsstrategie bestimmt die Liquidationsintensität und -geschwindigkeit.

Ob sich eine positive oder negative Fortbestehensprognose ergibt, beeinflusst den Ausweis der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden eines Unternehmens unterschiedlich:

  • Für den Fall des handelsrechtlichen Going-Concern gelten das Anschaffungskosten-, Einzelbewertungs-, Imparitäts- und das Realisationsprinzip. Mit der Aufgabe des Going-Concern werden diese durch andere Prinzipien ersetzt.
  • Bei Abkehr von der Going-Concern-Prämisse gelten für die Vermögensgegenstände der Aktivseite der Liquidations-/Zerschlagungswert. Dieser Zeitwert kann weit unter dem bisher bilanzierten Buchwert liegen, etwa bei Warenbeständen, oder auch weit über dem Buchwert, etwa bei der Aufdeckung von stillen Reserven in Immobilien.
  • Verwertbare Kostenvorteile für Dritte, etwa ein günstiger langfristiger Mietvertrag wie auch selbst geschaffene immaterielle Werte (Patente, Markenrechte, Gebrauchsmuster, Lizenzen und Konzessionen) oder ein Firmenwert, können – sofern sich ein nachvollziehbarer Wertansatz ergibt – unter Break-Up-Gesichtspunkten erfasst werden.

Bezüglich der unfertigen und fertigen Erzeugnisse richtet sich die Bewertung nach den zukünftig realisierbaren Werten, etwa dem vereinbarten Verkaufspreis.

Hinsichtlich der Schulden müssen alle Verbindlichkeiten berücksichtigt werden, die auch im Insolvenzeröffnungsverfahren als Forderungen geltend gemacht werden könnten, unabhängig davon, ob es sich um vor- oder nachrangige Forderungen handelt. Davon ausgeschlossen sind Verbindlichkeiten, die erst durch das Insolvenzverfahren entstehen, wie z.B. Sozialplanansprüche. Im Einzelnen gilt:

  • Eigenkapitalersetzende Darlehen sind grundsätzlich Verbindlichkeiten; sie können jedoch bei Vorlage einer qualifizierten Rangrücktrittserklärung Eigenkapitalcharakter bekommen. Forderungen eines Gesellschafters aus der Gewährung eigenkapitalersetzender Leistungen sind, sofern keine Rangrücktrittserklärung abgegeben worden ist, in der Überschuldungsbilanz der Gesellschaft als Passiva einzuordnen (vgl. BGH, Urteil vom 08.01.2001, Az. II ZR 88/99).
  • Stille Einlagen unterliegen grundsätzlich der Passivierungspflicht als Verbindlichkeiten, außer es liegt eine qualifizierte Rangrücktrittserklärung vor, die die stillen Einlagen quasi zu Eigenkapital machen.
  • Wenn die Fortführung der Unternehmenstätigkeit nicht mehr möglich ist, müssen Sozialplan- und Auslaufaufwendungen/Liquidationskosten passiviert werden.

Eventualverbindlichkeiten sind in diesem Fall zu passivieren, wenn mit Ihrer Inanspruchnahme nach dem Unternehmenskonzept im Beurteilungszeitraum gerechnet werden kann.
Für die Praxis empfiehlt sich für die Gegenüberstellung von Schulden und Vermögen die sogenannte Staffelform. Danach wird in zwei Spalten die Bewertung sowohl zu Fortführungs- als auch zu Zerschlagungswerten vorgenommen, um die Wechselwirkungen einer positiven wie einer negativen Fortbestehensprognose leicht feststellen zu können.

Bedeutung einer Rangrücktrittserklärung

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestehen für Rangrücktrittserklärungen folgende Anforderungen: Die qualifizierte Rangrücktrittserklärung muss schriftlich verfasst sein und zum Ausdruck bringen, dass der Gesellschafter hinter die Forderung nach § 38 InsO und § 39 InsO zurücktritt. Die Befriedigung des Gesellschafters richtet sich nach § 199 InsO.

Vergleichbar in Ihrer Wirkung sind die Patronatserklärungen der Gesellschafter. Eine „harte“ Patronatserklärung liegt vor, wenn der Gesellschafter oder aber ein Dritter klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass er entweder entstandene Verluste ausgleicht oder aber das Krisenunternehmen bei Inanspruchnahme aus bestimmten Verbindlichkeiten vollumfänglich übernimmt, ohne seinerseits Rückgriff auf das Krisenunternehmen zu nehmen. Die sogenannte „weiche“ Patronatserklärung ist dagegen nicht geeignet, die Überschuldungssituation auszuschließen. Aus der Erklärung muss ein rechtlich einklagbarer Anspruch zustehen, wie dies nur bei der harten Patronatserklärung der Fall ist.

Die gesetzlichen Vertreter sind erst mit endgültiger Beseitigung der Insolvenzgefahr entbunden, eine Fortbestehensprognose zu erstellen. Nach IDW S 11 ist die Insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose fortzuschreiben, wenn sich neue Ereignisse zumindest ankündigen, die für die Prognose bedeutsam sind (IDW S 11, Rn. 67).

In Anbetracht der Haftungsrisiken ist es erforderlich die angestellten Überlegungen in Form einer Überschuldungsprüfung schriftlich zu dokumentieren (BGH, Urteil vom 13.07.1992, Az. II ZR 269/91, BB 1992, S. 1898).

Der Überschuldungsstatus

Die Gliederung des Überschuldungsstatus sollte sich nach der Handelsbilanz ausrichten, damit eine Plausibilitätsprüfung mit den vorhandenen Buchwerten der einzelnen Vermögensgegenstände erfolgen kann. Für den Überschuldungsstatus ist allein die aktuelle Verwertbarkeit maßgeblich.

In diesem Zusammenhang kann beispielhaft auf das Urteil des OLG Hamburg vom 13.10.2017 (Az. 11 U 53/17, GmbH-Stpr 2018, S. 156) verwiesen werden. Das Gericht führte aus, dass im Rahmen einer Überschuldungsbilanz eine bestrittene Forderung, die gerichtlich durchgesetzt werden muss, nach dem Gebot einer vorsichtigen Bewertung nicht aktiviert werden darf. Dies bedeutet zum Beispiel, dass die bloße Aussicht auf Erstattung der Umsatzsteuer keine privilegierte Gegenleistung nach § 64 Satz 2 GmbHG ist und somit auch nicht unter den Aktive aufzuführen ist.

  • Darüber hinaus sei nochmals auf mögliche haftungs- und strafrechtliche Konsequenzen
    hingewiesen, sofern die Liquidität eines Unternehmens falsch bewertet wird und es zur Insolvenzverschleppung kommt. Um dies zu verhindern, muss eine Liquiditätsbilanz von den Verantwortlichen erstellt werden. Dazu waren bisher – bis zu dem Urteil des BGH vom 19.12.2017 (Az. II ZR 88/16, GmbH-Stpr 2018, S. 117) – im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbare und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machende Mittel den am selben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten gegenüberzustellen. Innerhalb von drei Wochen wurden nach dem Stichtag fällig werdende und eingeforderte Verbindlichkeiten (sogenannte PASSIVA II) nicht berücksichtigt. Folgerichtig konnte das Unternehmen eine sogenannte Bugwelle vor sich herschieben, ohne zahlungsunfähig zu sein

    Hinweis: Der II. Zivilsenat des BGH hat dem nun eine Absage erteilt und festgestellt, dass bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO anhand einer Liquiditätsbilanz auch die Passiva II einzubeziehen sind, d.h. die innerhalb von drei Wochen nach dem Prüfungsstichtag fällig werdenden und eingeforderten Verbindlichkeiten.

  • Die Abkehr von der Bugwellentheorie bedeutet für den Geschäftsführer, dass er bei der Prüfung der Liquiditätssituation der von Ihm geführten Gesellschaft stets berücksichtigen muss, welche Verbindlichkeiten in den kommenden drei Wochen ab dem Prüfungsstichtag fällig werden. Folgerichtig wird das Unternehmen schneller als zahlungsunfähig einzustufen sein.

    In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die Verpflichtung des Geschäftsführers hinzuweisen, unverzüglich einen Insolvenzantrag beim zuständigen Amtsgericht zu stellen und nur noch Zahlungen zu leisten, die mit der Sorgfalt einer ordentlichen Geschäftsführung vereinbar sind, vgl. § 15a InsO, § 64 GmbHG.

    Etwaige Haftungs- und Freistellungsansprüche gegenüber dem Geschäftsführer oder den Gesellschaftern sind im vollen Umfang in den Überschuldungsstatus mit einzubeziehen, wenn sie einerseits rechtlich haltbar und werthaltig sind.

3. Fazit

Die Fortbestehensprognose stellt ein qualitatives, wertendes Gesamturteil über die Lebensfähigkeit des Unternehmens im Planungszeitraum abgeleitet aus dem Unternehmenskonzept und der Finanzplanung dar. Von Ihr ist abhängig, ob eine Überschuldung vorliegt und folgerichtig ein Insolvenzantrag zu stellen ist.

Eine einmal aufgestellte Fortbestehensprognose befreit den Geschäftsführer nicht davon, sich bei positiver Fortbestehensprognose auch in Zukunft mit Krisenindikatoren auseinanderzusetzen. Hat der Geschäftsführer konkrete Anhaltspunkte, dass bestimmte Annahmen in seiner Fortbestehensprognose anders (positiv wie negativ) sind, so hat er eine erneute Fortbestehensprognose aufzustellen, die möglicherweise zu einem anderen Ergebnis als die vorherige Prognose führt. Wichtig ist, dass er sein Prognoseergebnis ausreichend dokumentiert.

 

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